Freitag, 7. August 2015

Boston Baby!

Vor einiger Zeit fing ich einen Blogeintrag mit dem Titel “Montag Ruhetag – Donnerstag ausverkauft“ an. Inspiration des Ganzen war ein Artikel, den ich kurze Zeit vorher gelesen hatte, in welchem es um eine Studentin ging, die einen kompletten Thailand Urlaub vorgetäuscht hat, um zu zeigen wie verfälscht unsere Außendarstellung in der modernen virtuellen Welt ist. Sie inszenierte den Urlaub mit Hilfe von Fotoshop in sowohl ihrem kleinen WG Zimmer als auch einem lokalen buddhistischen Tempel. Das Lesen dieses Artikels ließ mich selbstkritisch werden und ich fragte mich, ob dieser Blog hier auch eine Art der Lebensverherrlichung ist. Deshalb wollte ich ursprünglich einen kompletten Eintrag all meiner bisher fabrizierten Flops widmen. So wollte ich z.B. mit meinen Eltern zu meinem Lieblings Japaner, welcher an diesem Tag Mittags geschlossen hatte oder zu meiner Lieblingskneipe, welche allgemein Montags zu hat (und vor welcher ich schon an mehreren Montagen immer wieder enttäuscht stand). Ähnlich standen wir mit Freunden vor dem leckersten Fish & Chips der Stadt nur um festzustellen, dass der Stand Betriebsferien hatten. Oder aber, hätte ich erzählen können, wie an dem einen Tag, an dem ich keine Tickets vorbestellt hatte, das Baseballspiel ausverkauft war. Das Herzstück der Blogeintrags sollte das Erwerben zweier sehr teurer Yanni Tickets werden, dessen Konzert allerhöchstens als kulturelle Erfahrung, höchstwahrscheinlich aber eher als Traumatisierung, abgebucht werden kann. Das alles liegt nun allerdings schon ziemlich lange zurück und irgendwie habe ich das Gefühl, dass der Zug für diese Anekdoten inzwischen schon abgefahren ist. Andererseits könnte einiges meiner letzten Reise nach Boston auch als Marke Unglücksrabe gewertet werden. Doch bei allem Meckern, Jammern und jeglicher Ehrlichkeit muss ich gestehen, dass das Positive am Ende doch oft überwiegt. Und so werde ich diesen Eintrag in 2 Teile teilen (Etappenleser können sich also freuen). Erst der Flop, dann kommt Top.


Teil 1: 83.3% Zufallskontrolle


Vor zwei Wochen war ich gut im Stress. Es war die letzte Woche vor Abgabe meiner Masterarbeit und der Abreise zu einer Konferenz in Waltham, in der Nähe von Boston. Einerseits wollte ich gerne mindestens einen Tag Zeit für Boston einplanen, doch andererseits war ich mir auch im Klaren darüber, dass ich in der Endphase wahrscheinlich jede Minute brauchen würde. So entschied ich mich dazu einen Nachtflug von Vancouver nach Boston zu buchen. Abflug 23:00 Uhr, Ankunft in Boston, 9:24 Uhr, mit Zwischenstopp und Umsteigen in Ottawa. Bei meiner Ankunft am Vancouver Flughafen war der Flug bereits 35 Minuten verspätet. Etwas beunruhigt musste ich feststellen, dass nun der komplette Zeitpuffer meiner Umsteigezeit aufgebraucht war. Naja, Ottawa ist nun auch nicht der größte Flughafen Kanadas und auf so einem 5 stündigen Flug kann man ja auch einiges an Zeit gutmachen.

Auf meinem Mittelsitzplatz durfte ich dann erst mal einen älteren Herrn neben mir begrüßen, den ich kurze Zeit vorher schon in der Flughafenbar erspäht hatte. Mit anständiger Alkoholfahne versuchte er auch so gleich mich in ein Gespräch zu verwickeln. Ich täuschte Sofortschlaf vor, was er als Aufforderung zu nehmen schien seinen Kopf an meine Schulter anlehnen zu dürfen. Nach 3.5 Stunden unruhigen Schlafs und Ausweichsmanövern zur anderen Seite, begann sich eine innere Unruhe in mir auszubreiten, die mit der doch nun sehr knappen Umsteigezeit in Ottawa zu tun hatte. Die letzte Stunde des Fluges verbrachte ich damit auf die „Estimated time of arrival“ zu starren und von einem hoffnungsvollen Zustand (07:04 am) zu einen panischen (07:19 am) zu wechseln. Kaum gelandet drängelte ich mich in guter deutscher (etwas unhöflicher) Manier überall durch und sprintete in Richtung "Connections". Kurz vor der Sicherheitskontrolle erwartete man auch schon einige der „Sprinter“ und wies uns an so schnell wie möglich zum Gate zu gelangen und zu versuchen das Flugzeug noch zu erwischen. Also schnell Schuhe aus, Laptop raus und durch den Metalldetektor. Natürlich wurde ich „zufällig“ ausgewählt entweder eine Körperabtastung über mich ergehen zu lassen oder mich in den „Full Body Scanner“ zu stellen. Diese zufällige Auswahl sollte auch noch die nächsten 4 Male passieren, die ich Security auf dieser Reise passierte. Zunächst aber galt es mit offenen Schürsenkeln und wehender Posterrolle in die USA einzuwandern, wo ein erstaunlich freundlicher Mitarbeiter mich schnell durchwinkte, damit ich es noch zum Flieger schaffen konnte. Am Gate dann jedoch die Ernüchterung: Eine überforderte Air Canada Mitarbeiterin und eine aufgelöste Boston-Reisende eröffneten mir, dass wir den Flug wohl nicht mehr bekommen würden. Wir hatten es zwar rechtzeitig geschafft, hätten aber unser Gepäck abholen und dann neu aufgeben müssen. Da Gepäck generell nicht eigentümerlos in die USA einreisen darf war nicht der Zug abgefahren, sondern das Flugzeug abgeflogen.

Am Ende waren wir eine kleine Gruppe von 6 Reisenden, die von A nach B durch den Ottawa Flughafen gepfercht wurden. Erst zum Gepäck, dann zum Schalter. Dort wurde ich von der langsamsten Bearbeiterin der Welt (ihr Kollege bediente 4 Reisende, während sie mit einer Person beschäftigt war) über Montreal nach Boston umgeleitet. Mrs. „Ich-habe-alle-Zeit-der-Welt“ brauchte dafür so lange, dass ich diesen Flug auch noch fast verpasste, dafür entschädigte man mich aber mit einem $10 Gutschein, den man an allen Flughäfen und Flügen, allerdings nur einmalig, einsetzen konnte. Mit einer Minimaschine, die ca. 30 Leute fasste ging es also in einem ca. 20 Minuten langen Flug nach Montreal. 

Schlecht geschossenes Foto mit kaputter Handykamera des Miniflugzeugs
Dort durfte unsere 6er Gruppe dann die ganze Einwanderei noch mal vollziehen. Ich hatte das ausgesprochene Glück direkt hinter einem über 80 jährigen Ehepaar in der Schlange zu stehen. Gott sei Dank war das Ömchen recht durchsetzungsfähig und so durften beide ihre Schuhe anbehalten. Opi hatte eine Schlurfgeschwindigkeit von ca. 27 25cm-Schlurfs pro Minute und wäre eine perfekte Besetzung für den "100-jährigen, der aus dem Fenster stieg" gewesen. Bei der Passkontrolle wurde dann gerätzelt, warum ich ca. 1 Stunde früher schon mal in die USA eingewandert war und als ich dann endlich am Gate ankam, ging auch schon das Boarding los. Inzwischen körperlich und geistig vollkommen fertig fand ich mich neben einem weiteren Umgeleiteten unserer 6er Vancouver Gruppe wieder und nach einem verhaltenen Versuch ein Gespräch zu beginnen schliefen wir bald auch schon beide tief und fest bis wir schließlich in Boston landeten.

So kam ich also nach gut 12 Reisestunden endlich in Boston am Flughafen an, wobei bei all dem hin und her keine Zeit für irgendeine Form der Nahrungsaufnahme geblieben war. Eine Bus- und eine Bahnfahrt sowie ein 15 minütiger Fußmarsch durchs 32 Grad schwüle Boston später erreichte ich auch endlich das zu Hause meines Freundes Peter. Peter ist ein ehemaliger Kommilitone von mir aus Vancouver, der durch ein Kursprojekt einen Job beim Boston Celtics Basketball team bekommen hat und jetzt eine filmreiche Version des amerikanischen Traumes lebt (er selbst ist Kandier). Peter und sein Mitbewohner begrüßten mich herzlich und ich dachte schon der Tag würde doch noch eine gute Wendung nehmen bis ich meinen Koffer öffnete und feststellen musste, dass mein gesamten Shampoo im Koffer ausgelaufen war. Eine längere Wasch- und Schaumpartieaktion später konnte ich endlich eine erfrischende Dusche genießen. Neue Motivation geschöpft stieg ich dynamisch aus der Dusche aus und spülte noch die restlichen mit Shampoo infizierten Kulturartikel ab nur um dabei die Duschstange abzureißen. Wenn’s einmal läuft...

Die Duschstange konnte repariert werden und ich befand mich kurze Zeit später auf dem Weg nach Downtown Boston. Wie mir Boston so gefallen hat, ist dann doch eher auf der Top-Liste, weshalb ich ab diesem Zeitpunkt auf Teil 2 verweisen möchte. Allerdings sollte noch erwähnt werden, dass ich auf dem Rückweg fast schon wieder meinen Anschlussflug (diesmal in Toronto) verpasst hätte. Meine äußerst fähige Schalterschnecke in Ottawa hatte mir nämlich lang und breit erklärt, dass an großen Flughäfen wie Toronto, Montreal, oder Vancouver das Gepäck automatisch durchgecheckt werden würde, weshalb ich gepäcklos durch den Zoll latschte und dann mit blauem Strafzettel zur Torontoer Flughafen Turmuhr zurück geschickt wurde, um auf jemanden zu warten, der mich wieder zu meinem Gepäck führen konnte. Bevor Ihr jetzt alle denkt „typisch Joli wieder“ möchte ich in meiner Verteidigung sagen, dass sich ca. 10 Leute mit blauem Zettel an besagter Uhr widerfanden, welche allesamt davon ausgegangen waren, dass ihr Gepäck an den Ort auf der Gepäckmarke durchgecheckt werden würde. Aber nun genug beschwert. Weg von diesen deprimierenden Geschichten und hin zur positivien Selbstdarstellung.


Teil 2: Big Papi und das grüne Monstah

Ich kam also ausgehungert und vollkommen übermüdet im Stadtgebiet Boston an. Im Gepäck eine To-Do-Liste von meinem Studienfreund Neil, der ursprünglich aus Boston kommt. Es gab so einiges Abzuklappern, aber da ich ja einen halben Tag durch diverses Fliegerumsteigen verpasst hatte, musste ich die Liste reduzieren. Zunächst war eindeutig eine ausgiebe Nahrungsaufnahme notwendig. Auf ging es also zu Faneuil Hall, wo ich im Getümmel tausender Touristen eine „Hot-buttered-Lobster-roll“ verspeiste. Unmittelbar nach dem ersten Bissen war alles Leid der letzten Stunden vergessen. Lecker! Von da an konnte ich endlich Boston genießen: Ein Streifzug über den „Haymarket“, der mich direkt auf den Bonner Marktplatz ("Fresh Straaaaaawberrrries, $2 the pound...") beamte und ein anschließendes Schlendern durch Boston’s North End, das Italien Nordamerikas ließen meine müde Seele freudig jauchzen. Zurück ging es dann entlang der Landungsbrücken. Aus Vancouver kommend muss ich sagen, dass mir dieser Teil der Stadt am „offenen Meer“ am Wenigsten gefallen hat. Das Wasser ist in Downtown einfach sehr wenig integriert und auch wenn die Aussicht zeitweilig "ganz nett" ist, so kann sie doch nicht mit Vancouver’s atemberaubenden Meerespanorama mithalten. Bevor ich mich dann wieder mit Peter und seinen Freunden traf, gab es noch mal ein bisschen Entspannung im Boston Common Park. Dort lief gerade ein Open Air Shakespeare Festival und außerdem allerlei verrückte Leute rum, welche unbedingt von mir bestaunt werden wollten. So ließ ich mich einfach ein bisschen in Boston’s Multikultur treiben bis es später wieder in Richtung North End für leckeres Brot, frisches Olivenöl und Pasta Vongole ging. 

 
Am nächsten morgen (bevor die Konferenz losging) fuhren wir noch zum Harvard Square und durchstreiften ein bisschen Camebridge und die Unigegend. Insgesamt macht Boston einen sehr europäischen Eindruck. Nachdem man mich vorgewarnt hatte, dass ich mich in den wirren Straßen nur verlaufen würde (da nicht alles im Gittermuster nach den Himmelsrichtungen ausgelegt ist), musste ich feststellen, wie sehr ich Windungen, Kurven und Verschachtelungen im Straßennetz vermisse. Boston, wenn auch keine Großstadt, ist wendig und wuselig und auf jeden Fall einen Besuch wert! Zum Glück hatte ich auch während der Konferenz noch mal das Glück in die Stadt zu fahren, um das berühmt berüchtigte „Clam Chowder“ essen nachzuholen und überhaupt sehr frischen und leckeren Fisch zu spachteln.

Das absolute Highlight jedoch ereignete sich dann am Sonntag. Es begann mit dem Plan einen weiteren Nachmittag nach Boston hineinzufahren. Ich (nicht in der Lage einen Zeitplan richtig zu lesen) hatte in der festen Überzeugung Sonntag Nachmittag frei zu haben 2 Boston Red Sox Baseballtickets erstanden. So begab ich mich (trotz laufender Konferenz - ups) also auf die Suche nach einer Bushaltestelle in Waltham (öffentliches Verkehrsnetz in amerikanischen Vorstätten...), um die lange Reise in die Stadt anzutreten. 

Football field in Waltham
Offensichtlich eine Bushaltestelle
Und wieder schaffte Boston es mich mit seinem europäischen Flair in seinen Bann zu ziehen, als ich entlang der Boston Esplanade in Richtung Baseballstadion ging. Baseball an sich ist nun nicht so europäisch, Boston jedoch ist generell eine Stadt, die absolut sportbegeistert ist. Da ist es auch egal, dass die Red Sox in dieser Saison eher bescheiden abschneiden. Ein Besuch in Fenway Park lohnt sich auf jeden Fall. Ich hatte über Neil (meinen Insiderkontakt) sehr gute Tickets ergattert und so saßen Peter und ich im Grandstand 18, schräg hinterm Schläger, entlang der „first base“.
 

Wie im Baseball üblich, ging es erst einmal mit einigen punktlosen Innings los. Derweil eröffnete ich Peter, dass ich mindesten einen "Homerun" sehen wollen würde. Im vierten oder fünften Inning gelang den Red Sox dann ein mühsam erkämpfter Punkt durch mehrere Hits, bei denen sich jeweils ein Spieler im Schneckentempo von einer Base zur nächsten bewegte. Als die Tigers als nächstes mit Schlangen dran waren folgte die direkte Antwort in Form eines Homeruns. 1:1, na toll. Daraufhin definierte ich meine Anforderungen neu und sagte, dass ich gerne einen Homerun der Red Sox sehen würde. Kurz darauf erwischte David Ortiz den Ball mit voller Wucht und schlug einen Homerun, wobei einige seiner Mitspieler punkten konnten. Die Sox führten nun 5:1. Ziemlich zufrieden mit der Entwicklung der Dinge setzte ich noch einen drauf und verkündete, dass ich ja eigentlich einen Homerun über „the green Monstah“ einer riesig hohen Wand an der Westseite des Stadions gemeint hätte. Und schwups, 40-Jahre alter „Big Papi“ tritt auf die Matte und haut das Ding über das grüne Monstah. Hallelujah, amen. Am Ende gewanen die Red Soxs mit 11:1, was im Baseball eigentlich nie vorkommt. 
Das grüne Monstah starrte uns das ganze Spiel über an.
Unterm Strich kann ich Boston wirklich nur empfehlen. Ein bisschen europäischer als hier an der Westküste und ein kleines Stück mehr wie zu Hause. Ich mag nicht ganz so weit gehen den „Charles River“ mit dem Rhein zu vergleichen, aber steinerne Häuser, Grünflächen entlang des Flusses und Eisdielen an jeder dritten Straßenecke lassen wecken doch die Erinnerungen an das vertraute Europa. 

PS: Wer den „Freedom trail“ in diesem Eintrag vermisst dem lasse gesagt sein: Der Freedom trail ist einfach ständig und überall und dabei ziemlich unspekatakulär. Deshalb fand ich es zu mühselig in extra zu erwähnen..

Sonntag, 7. Juni 2015

Smugglers Cove

Wir haben zwei Fässer Rum, drei Fässer Whiskey und eineinhalb Kilo Tabak geladen. Unser kleines hölzernes Ruderboot schaukelt rhythmisch auf dem ruhigen Pazifik hin und her. Dicker Nebel hängt zwischen den steilen Felsen. Es ist kalt und feucht und ich kann meinen eigenen Atem in der dunklen Nacht verschwinden sehen. Seit einiger Zeit schon treiben wir nun einfach so dahin. Bedrohlich ragen Felsblöcke überall um uns herum aus dem Wasser. Kapitän Hansen sitzt regungslos am Bug des Bootes und wartet auf ein Zeichen von der Küste. Ich spüre wie meine Beine taub werden und beginne darüber nachzudenken wie ich mich unauffällig in eine andere Position begeben könnte. Eingeklemmt zwischen Whiskey und Rum Fässern bleibt mir nichts anderes übrig als auszuharren; wenn ich mir wenigstens ein bisschen was abzapfen könnte... Kapitän Hansen stößt einen kurzen, lauten Pfiff aus und reißt mich aus meinen Gedanken. An der Küste kann ich ganz schwach eine kleine flackernde Flamme erkennen. Es geht los. Ich ergreife eins der Ruder und beginne gleichmäßig zu rudern. Stumm umkreisen wir Felsen um Felsen. Das Boot bahnt sich seinen Weg fast tänzerisch. Inzwischen kennen wir die Gewässer gut. Vor 10 Jahren, bei unserer ersten Fahrt, als wir noch Chinesen in die Bucht schmuggelten, wären wir alle fast drauf gegangen. Damals kam uns das Gewässer wild und gefährlich vor. Laut wurden Befehle übers Deck geschrien, während unser Boot gegen mehrere Felsen schellte und dabei allerlei Lecks erlitt. Als wir vollkommen erschöpft und tropfend nass an der Küste (im wahrsten Sinne des Wortes) strandeten wurden wir direkt von mehreren Eingeborenen umzingelt. 13 Pfeilspitzen bohrten sich in unsere Bäuche. Die verschreckten Chinesen wurden zusammengepfercht und separat von uns weggebracht. Lange 5 Tage verbrachten wir in Gefangenschaft bis wir endlich die Hartnäckigkeit des Häuptlings Haida Ktunaxa brachen und ihn mit unserer Notfallflasche Whiskey auf unsere Seite zogen. Seitdem ist Haida unser Hauptgeschäftspartner.

Doch heute Abend läuft alles glatt. Wir sind ein gut eingespieltes Team und der Shíshálh Stamm erwartet uns bereits. Wir umrunden noch einen letzten kleinen Fels bevor wir sanft am sandigen Strand aufsetzen. Wir rollen die Schnapsfässer in eine kleine Felshöhle und ziehen das Boot noch etwas höher, damit es von der Flut nicht gleich wieder hinaus gezogen wird. Dann machen wir uns auf den Weg zum Stammeslager. 

In Wirklichkeit sitzen wir bei ca. 23 Grad bei strahlendem Sonnenschein auf einem Felsen und schauen in British Columbia’s Smugglers Cove hinab. Heute liegen in der ruhigen Bucht ein paar Yachten, doch irgendwie hat man das Gefühl das wilde Piratenschiffe, schmale von Einheimischen gesteuerte Kanus oder kleine Holzschalen viel Besser in die Szenerie passen würden. 

Den ganzen Weg entlang, von Horseshoebay in Nordvancouver über die sogenannte Sunshine Coast und von dort aus hinüber nach Vancouver Island, begleitet mich ein Gefühl von wildem Entdeckergeist. So vieles scheint hier noch unberührt und unentdeckt zu sein im jungen British Columbia. Während die Sunshine Coast ihrem Namen noch alle Ehre macht und eine warme Frühsommer Sonne auf uns herab strahlt, präsentiert sich Ucluelet an der Westküste Vancouver Islands etwas mystischer. Dichter Nebel hängt vor der Küste und eine unheimliche Stille legt sich über die Strände, nur durchbrochen durch das periodische Tuten des Nebelhorns des örtilchen Leuchtturms. 
Lange Wanderwege entlang der Küste laden dazu ein jeden Tag auf Entdeckungstour zu gehen. Entlang der Strecke stehen immer wieder Bänke, von welchen man in die unbeschreibliche Weite des Meeres oder eben in den Nebel hinaus schauen kann. Das nächst gelegene Festland ist Japan. Und so sitzt man dort, am Ende der Welt.

Leider ist die sogenannte "storm watching" Saison schon vorbei, doch die Bäume entlang der Küste sind von Wind und Wetter gezeichnet. Wie wäre es wohl von hier aus einen kräftigen Wintersturm zu beobachten? Wie sähe das Meer an einem wolkenlosen Sommertag aus? Wie riecht es hier  im Regen? Wie würden sich die Wolken türmen, wenn der Nebel weicht? Ach, wenn man nur ein ganzes Jahr hier verbringen könnte, würde man sich je an dieser Natur satt sehen?

Freitag, 1. Mai 2015

Eine Zugfahrt die ist lustig, eine Zugfahrt die ist schön

Vor einiger Zeit hatte ich Besuch von meiner guten Freundin Mara. In den 22 Jahren, in denen wir uns nun kennen haben wir viele schöne Reisen und auch einige wilde Abenteuer erlebt. So war es für mich selbstverständlich, dass wir neben den Tagen in Vancouver auch noch eine kleine Tour unternehmen sollten. Ich überlegte hin und her. Ich wollte gerne an einen Ort fahren, den wir beide noch nicht kannten und etwas unternehmen, was in gewisser Weise unserer Freundschaft entsprach. Unkonventionell, individuell, dynamisch, und einfach ein bisschen verrückt.

Gott sei Dank lebe ich ja inzwischen in einer Welt unbegrenzter Möglichkeiten, gepflegter Vorgärten und uneingeschränkten Medienangebote. So stieß ich schon bald auf eine bizarre TV Serie, welche die Antwort auf meine Frage zu sein schien: Portlandia. Wikipedia weiß zu berichten: „In der Serie wird das Glokalkolorit [für alle, die über dieses Wort genauso anungslos stolpern wie ich, es handelt sich scheinbar um ein Kofferwort aus den Begriffen Globalisierung und Lokalisierung] der Portlander Hipster bzw. die Kreativ- und Alternativszene in kurzen Sketchen porträtiert und persifliert.“ Die Serie beginnt mit folgender Scene: Zwei Freunde treffen sich in San Francisco. SIE geht grad mit ihrem Hund spazieren und ER ist frisch zurück von einem Besuch in Portland. Portland, Oregon? Ja, Portland, Oregon, ein friedlicher kleiner Staat an der Westküste der USA. Und dann erzählt er in Forme eines Songs: „The dream oft he 90s is alive in Portland"
 

So war also klar, wir würden nach Portland reisen. Eine aufstrebene kleine Stadt, voller Hipsters und Individualisten. Tee, Mocca und Lattes werden nicht in Papp-to-go Bechern sondern in Einmachgläsern durch die Stadt getragen. In allen Restaurants wird frische Ware aus biologischem Anbau verwendet und kann außerdem in einer glutenfreien, vegetarischen oder vegane Variante bestellt werden. Wer sich doch nach einem Stück Fleisch sehnt bekommt sowohl die Lebensgeschichte des zu essenden Tiers präsentiert als auch mehrere Zertifikate über glückliche Tierhaltung vorgelegt. Kleidungsstiele kommen in allen Formen, Farben, Längen, Schnitten, Kürzen, Größen und Anzahlen der Kleidungsstücke vor. Selbstverwirklichungsmöglichkeiten gibt es in Bereichen Bartwuchs, Haarschnitt, Schuhfarbe, Handytaschen, willkürlichen Anhängern and Rucksäcken, Taschen, Röcken, Hälsen, Handys oder Haaren sowie Fahrraddekoration. Denn in Portland fahren alle Fahrrad. Man hat sogar die Helmpflicht abgeschafft um mehr Leute auf die Zweiräder zu bekommen. Alles tummelt sich in Cafés, Kneipen, an zahlreichen Essensständen oder Kombinationen der vorherigen Optionen. Ob Leute arbeiten bleibt unklar. Junge Männer fahren oberkörperfrei in Shorts mit hochgezogenen Socken auf ihren Skateboards durch den normalen Straßenverkehr. Naja, normal ist vielleicht das falsche Wort den zwischen Autos, Fahrrädern und Skateboardern tauchen Leute auf riesigen Artistenfahrrädern auf, die sich jeden Moment den Kopf an Straßenlaternen zu stoßen drohen.
 


Doch trotz aller Farbenfreude, Schrillheit und Flippigkeit der Stadt ist es doch etwas anderes was mir von dieser Reise am Meisten in Erinnerung bleiben wird: Die Zugfahrt von Vancouver nach Portland. Wir nahmen den Zug um 06:30 Uhr morgens in Vancouver, der einzige Zug der die ganze Strecke durchfährt. Zug verpassen war also schon mal keine Option. Planmäßig sollte die Zugfahrt 8½ Stunden dauern, mit dem Auto fährt man etwas mehr als 5 Stunden, die Frage was der Zug in den zusätzlichen 3 Stunden machen würde blieb zunächst unklar. Wir kamen also gegen 06:10 Uhr morgens am Bahnhof an, holten uns einen Kaffee und füllten fleißig Einwanderungs- und Zollformulare aus. Überall standen Hinweisschilder, dass man keine Früchte mit an Bord des Zuges nehmen dürfte. Wir hatten für die lange Zugfahrt Bananen, Orangen und Äpfel gepackt. Naja, erst einmal abwarten. Während der zeitliche Aufwand also gegen eine Zugfahrt zu sprechen schien, zeigte sich schon bald die erste positive Seite: Man brachte den größten Teil der USA Einreise noch vor Betreten des Zuges hinter sich. Nicht nur durften wir unsere Schuhe anbehalten, auch das Grillen der Beamten hielt sich in Grenzen (nicht so bei einer Mitreisenden, die haarsträubende Geschichten angab und versuchte den Beamten davon zu überzeugen, dass sie wirklich nur zum Feiern nach Seattle fahren wollte, wie dieses Drama ausging erfuhren wir dann allerdings nicht mehr). Als also die bürokratische Hürde sowie das obligatorische Schmuggeln von Obst hinter uns gebracht worden war, wurden wir von der netten Schaffnerin auch schon angehalten uns zu beeilen, so ein Zug wartet schließlich auf niemanden. Wir machten uns also auf den Weg, den verlassenen Bahnsteig entlang, zu unserem Abteil. Vor jeder Zugtür stand eine kleine gelbe Trittleiter als Einsteigehilfe, bis die alle in den Zug geräumt worden waren, war wahrscheinlich sowieso noch ein bisschen Zeit. Aber bei über 8 Stunden Zugfahrt will man es sich mit dem Personal ja nicht gleich verscherzen. 
 
 
Wir fanden uns also auf unseren Plätzen ein und stellten enttäuscht fest, dass wir nicht auf der Küstenseite saßen. Der Pazifik würde uns ein großes Teil der Strecke begleiten. Zunächst allerdings galt es die Aufmerksamkeit auf ganz andere Dinge zu richten. Nachdem alle Fahrgäste ausführlich begrüßt, das Wetter besprochen und der detaillierte Reiseplan vorgestellt worden war, wurden Verhaltensregeln im Zug durchgegangen. Stören der Mitfahrenden war zwar nicht direkt verboten, sollte allerdings so gut wie möglich reduziert werden. Besonders wichtig war jedoch der Hinweis, dass das Gehen durch einen fahrenden Zug gewisse Gefahren barg. Ein breiter Gang mit kurzen, aber sicheren Schritten sowie festhalbereiten Händen wurde hier empfohlen. Wir kicherten, wobei wir selbstverständlich versuchten Rücksicht auf die anderen Fahrgäste zu nehmen. Dann ging es los. Oder so etwas ähnliches. Wir tuckerten ca. 5 Minuten durch Vancouver bevor wir zu einem kompletten Stillstand kamen. Das konnte ja heiter werden. In der ersten Stunde der Zugfahrt überschritten wir Jogginggeschwindigkeit kein einziges Mal. Doch irgendwann schien dem Zugführer einzufallen, dass er später am Tag noch eine Verabredung hatte und der Zug nahm langsam an Fahrt auf. Kurze Zeit später erreichten wir auch schon die Grenze. Panisch aßen wir jeder eine Banane und eine Mandarine. Früchte durften ja unter gar keinen Umständen in die USA eingeführt werden. Der Zoll rollte dann allerdings mit einer Geschwindigkeit durch den Zug, von dem der selbige sich eine Scheibe hätte abschneiden können. Mein Häkchen bei „Fruit or Vegetables“ interessierte niemanden. Willkommen in den Vereinigten Staaten von Amerika, das Land der unbegrenzten Sinnlosigkeit.

Kurze Zeit später machten wir uns im breitbeinigen sicheren Gang auf den Weg zum Speisewagen, wo wir uns gleich einen Fensterplatz an der "richtigen" Seite sicherten und zufrieden einen Kaffee schlürften. Der ruhige Pazifik glitzerte in der Sonne. Berge, Möwen, Segelboote, Adler sowie das endlose Meer boten ein echtes Spektakel. Der Zug hatte sich inzwischen auf ein gemütliches aber stetiges Tempo eingelassen und so zuckelten wir zufrieden durch Washington State. Alles war entspannt und gemütlich, die Welt schien ausgeglichen und gleichmütig. Nur bei den Schaffnern schien noch einiges an Stress zu herrschen: „An der nächsten Station steigen jetzt noch 52 Leute zu und dann 23 aus, die Einsteigenden können wir dann ja in Wagen 5 und 6 setzen. Aber dann sind da auch noch die Damen in Wagen 4. Die sitzen auf den falschen Plätzen. Sollen wir die jetzt schon umsetzen oder noch bis Eugene warten?“ Dem Zusteigen jedes einzelnen Fahrgastes wurde in einer Mischung aus freudiger Erwartung und leichter Panik entgegengefiebert. Dass irgendein Fahrgast zu irgendeinem Zeitpunkt der Reise keinen eigenen Sitzplatz haben könnte, schien einem absoluten Desaster gleichzukommen. Ich schmunzelte. Ich hätte die drei gerne mal mit der deutschen Bahn von Köln nach Berlin losgeschickt. Kurze Zeit später war die maximale Stresskapazität erreicht als breit und lang erklärt wurde, dass wir im nächsten Bahnhof erst neue Passagiere einsammeln würden, dann allerdings kurzzeitig rückwärts fahren mussten, um einen entgegenkommenden Zug passieren zu lassen. Es wurde mehrfach darauf hingewiesen dass wir nicht wieder zurück, sondern nur rückwärts fahren würden, und das auch nur kurzzeitig sowie unplanmäßig. Als der Zug dann schließlich rückwärts weiterfuhr blieb die Massenpanik Widererwartens aus. Allerdings hatten wir nun schon knapp eine Stunde Verspätung und das noch weit vor Seattle. Das konnte ja heiter werden.

Die allgemeine Aufregung legte sich dann allerdings ein bisschen. Der Zugführer machte noch eine stolze Durchsage, dass wir gerade an der dritt schönsten Straße der Welt vorbei fahren würden. Wir schauten etwas verdutzt aus dem Fenster, alles was man sehen konnte war ein Trailer-Park. Als der Zugfahrer mit breitem Grinsen zurück spaziert kam wurde klar, dass wir gerade durch seinen Heimatort fuhren. Der kritische Ansturm der Fahrgäste hatte sich gelegt. Man spaßte jetzt. Als wir schließlich in Seattle die Küste verließen und mehr in Richtung Inland fuhren wurde es Zeit für ein Nickerchen. Die ersten Stunden der Zugfahrt hatten sich aufregend und amüsant gestaltet und so war es höchste Zeit 2-3 Stündchen vor sich hinzuschlummern bis es endlich hieß: Nächster Halt Portland, Oregon. 
 
 

Freitag, 21. November 2014

Obamas Socken

Ob ihr’s glaubt oder nicht, ich sitze gerade am Ronald Reagon National Airport und erhole mich von einem Besuch bei Barack Obama. In der Tat musste ich ziemlich erstaunt feststellen, dass Barack in einer ziemlich runtergekommenen Kaschemme wohnt, einem bescheidenen weißen Haus, eins unter vielen. Wenn man sich da hingegen Lincolns momentane Bleibe anschaut, kann man nur zu dem Schluss kommen, dass man als Amerikanischer Präsident wohl bei einem Attentat sein Leben lassen muss, um es sich schließlich für immer und ewig in einer angemessenen Unterkunft bequem machen zu können.
Hier wohnt Obama, also in dem Haus, nicht dem Iglu
Casa de Licolnd...
...mit Blick auf...
...seinen Lieblingsbleistift
Wie dem auch sei, eigentlich war ich ja auch nur in Washington DC, um mit Obama mal diese Sockengeschichte durchzusprechen. Es ist nämlich so, dass sich amerikanische Flughäfen, Einreisestellen und Fluggesellschaften immer neue Sachen einfallen lassen, um mich zu erheitern. So gibt es z.B. bei allen US amerikanischen Fluggesellschaften nun eine Gebühr von US$23 für die Mitnahme eines Gepäckstücks. Das gilt nicht wie vielleicht erwartet nur für irgendwelche Virgin Low Budget Fluggesellschaften, sondern für ausschließlich alle. Diese brillante Idee kann eigentlich nur von der Kofferindustrie ausgeheckt worden sein. Erfahrene Passagiere haben nun nämlich die Mitnahme von maximaler Menge erlaubten Handgepäcks perfektioniert. Rollkoffer die haargenau in allen 3 Dimensionen die maximale Größe erreichen werden bis aufs möglichste vollgestopft. Was trotz geübtem Stopfens nicht passt, wird in die persönliche Handtasche verfrachtet, wobei die Größe derselben mit der Größe einer Hand nun nicht mehr viel gemein hat. Überhaupt sollte man wahrscheinlich dazu übergehen diese Art der persönlichen Handtaschen einfach Reisetaschen zu nennen. Ironischer Weise führt die Mitnahme dieser 25 x 43 x 61 cm großen Rollkoffer sowie diverser „Hand“taschen dazu, dass nur noch Passagiere mit körperlicher Beeinträchtigung, mit Kindern oder mit der goldenen Mitgliedskarte ihr Handgepäck in den dafür vorgesehenen Gepäckfächern, welche schnell ihre Rollkofferkapazitätsgrenze erreicht haben, verstauen können. Alle später einsteigenden Gäste versuchen in Folge dessen verzweifelt ihren 25 cm hohen Rollkoffer unter den Sitz des Vordermanns zu schieben und sich somit auch noch die letzten 14,5 cm Beinfreiheit zu rauben. Gott sei Dank dienen inzwischen die Sitzkissen als Schwimmwesten, sodass diesbezüglich ein wenig Platz gespart wird. Während also Hunderte von Fluggästen zwischen Rollkoffern, Winterjacken und „Hand“taschen in genau einer möglichen Person im Flugzeug verkrampfen, schlittern die 3 von Reiselaien eingecheckten Koffer im Gepäckraum von einem Ende zum nächsten.

Darüber plauderte ich allerdings nicht mit Obama. Sicherlich wird er zu den Leuten mit einer dieser magischen Goldkarte gehören und sein Gepäck stets im davor vorgesehen Fach verstauen können bzw. das Problem gleich noch viel großflächiger umgehen in dem er einfach seinen Privatjet nimmt. Was mich viel mehr interessierte war folgendes: Warum möchte die USA neuerdings von jedem Einwanderer die Socken sehen? Die einzige logische Erklärung, die mir auf die Aufforderung meine Schuhe bei der Sicherheitskontrolle auszuziehen kam, war eine weltweite Sockenstudie. Und als ich nun endlich mit Barack einen Kaffee schlürfte (selbstverständlich dünner Filterkaffee aus Pappbechern), bestätigte er meine Vorahnung. Die Sockenüberwachungsbehörde der Vereinigten Staaten von Amerika versuchen Licht in eine bisher unerforschte Angelegenheit zu werfen: Wie viel Prozent der Menschen tragen Baumwoll-, Strick- oder Seidensocken? Was ist das bevorzugte Muster? Karo, gepunktet, gestreift, einfarbig? Wie viel Prozent der Weltbevölkerung gehört zu der Kategorie Mixträger? Kann die Anzahl zerlöcherter Socken erfolgreich auf die gesamte Weltbevölkerung hochgerechnet werden? Sind Socken ein geeignetes Mittel führ eine Wahlkampagne (erste Ergebnisse zeigen, dass rund 1435 Obama Socken im Umlauf sind)? Wie viele barfuß Träger gibt es? Auch die Strumpfhosenträger bleiben nicht unentdeckt, wobei bei Kombination aus Jeans und Strumpfhose bisweilen einige Fehlkategorisierungen geschehen sind, sodass die jeweiligen Kategorien Seiden- und einfarbige Socken wohl einige falsch- positive Testergebnisse enthalten werden. Nach einer sehr anregenden Diskussion beglückwünschte Obama mich schließlich zur Wahl meiner eigenen Flugzeugsocken. Ich bedankte mich so höflich wie möglich, musste allerdings zugeben, dass dieselben neuerdings auch zur Kategorie durchlöchert gehören, ich aber froh sei, dass sie in ihrem Leben noch an dieser internationalen Sockenstudie mitmachen durften.
 
Jolis Flugzeugsocken
Der absolute Höhepunkt unseres Kaffeekranzes drehte sich dann allerdings nicht mehr um Socken. Wie Barack mir mitteilte wird in den USA einmal im Jahr der Preis für den oder die geschickteste/n Einreisende/n verliehen (bitte nicht verwechseln mit der im offiziellen Rahmen gegebenen Rede bezüglich der allgemeinen Einwanderungspolitik). Meine letzte Einreise in die USA hatte dabei wohl den Ausschlag gegeben, dabei wurde ich gleich von 3 Beamten gleichzeitig als „dumm aber freundlich“ klassifiziert. Während von einem Schalter ganz weit rechts ein überraschend freundlich aussehender Beamte mir mit ausladenden Bewegungen signalisierte ich sollte seinen Schalter aufzusuchen, wies mich der um einiges weniger freundlich aussehende Schlangenzuweiser an, mich an Schalter 11 einzufinden. Während ich dem Freundlichen gestikulierend mitteilen wollte, dass meine Anwesenheit weiter vorne erwünscht war, verdeutlichte der Unfreundliche seine Zuweisung mit einem lauten „M’am ELEVEN ... ONE and ONE.“ Nun begann auch der Mitarbeiter an Schalter 11 zu winken. Schließlich winkten alle in verschiedene Richtungen und ich bewegte mich in Richtung Schalter 11, da Mr. Unfreundlich inzwischen schon rot anzulaufen begann, während der Freundliche von Schalter >11 nur breit grinste. Die Abfertigung an Schalter 11 dauerte nach diesem Auftritt genau 42 Sekunden. Einer neuer Rekord für nicht-amerikanische Einreisende. Stolz nahm ich die Urkunde entgegen, richtete meine Grüße an Michelle aus und versprach den neu angeschafften Ganzkörperscanner am Ronald Reagon Flughafen auszuprobieren. Obama schüttelte mir fest die Hand und versprach wiederum seinerseits sich etwas neues einfallen zu lassen für meine nächste Einreise in die Vereinigten Staaten von Amerika.

Montag, 27. Oktober 2014

Von Gaberville bis Squamish – Unberechenbares Nordamerika

Nordamerika – Faszination und Widerstreben. Es sind gemischte Gefühle, die wir (Europäer) dem großen, fernen Kontinent jenseits des Atlantiks entgegenbringen. In heutiger Zeit der Globalisierung werden wir täglich mit diesem einst so fernen Amerika konfrontiert: Im Supermarkt, im Fernsehen, beim Einkaufsbummel durch die Stadt – Lebensmittel, Serien, Filme, Musik, Bücher, Philosophien, Politik und Klamotten, vieles schimmert rot-weiß-blau. Doch was bedeutet es Nordamerikaner zu sein? Sind die meisten Amis engstirnig, sensationsgeil, Waffeneigentümer, uneinsichtig, auf XXL zugeschnitten, oberflächlich und allgemein ungebildet? Sind die meisten Kanadier Eigenbrötler, naiv, Eskimos, drogenabhängig, irrelevant, Holzfäller und mehr interessiert an Eishockey als an politischem Weltgeschehen? (Letzteres lässt sich wohl kaum abstreiten.) Sicherlich sind einige dieser Stereotypisierungen wahr, aber manchmal frage ich mich worauf wir (Europäer) diese Wertungen basieren. So ganz weiß ich selber nicht, worauf ich hier hinaus will. In gewisser Weise geht es darum, dass allein British Columbia 2,5 mal so groß ist als Deutschland und in New York City mehr Menschen leben als in beispielsweise Niedersachsen. Natürlich stimmt es, dass die nordamerikanische Geschichte noch sehr jung ist. Dennoch ist es hier vielfältiger als es uns durch die europäischen Medien oft vermittelt wird.

Wie bin ich überhaupt auf dieses ganze semi-substantielle politphilosophische Geschwafel gekommen? Das ist wohl unter anderem Stuart McLean zu verdanken. Kürzlich las ich sein Buch mit dem schönen Titel „Welcome Home - Travels in Small-Town Canada“. Ich empfehle jedem, der gerne liest und sich vielleicht ja auch ein bisschen für Kanada interessiert, dieses Buch zu lesen. Es ist sehr faszinierend, indem es einfach nur vom kanadischen Leben in verschiedenen kleinen Städten erzählt. Ein Leben, wie es wohl ein Großteil der nordamerikanischen Bevölkerung lebt. So habe ich zum Beispiel erfahren, dass nach dem ersten und vor dem zweiten Weltkrieg fast jeder dritte Kanadier noch als Bauer tätig war. 1990 (als Stuart das Buch schrieb) war es nur noch jeder 25ste und das bei einem landwirtschaftlichen Produktionswachstum von 175%. Diese Information hat mich nachdenklich gestimmt. Urbanisierung findet überall auf der Welt statt , aber was passiert wohl mit den ganzen kleinen Städten, die besiedelt wurden als noch jeder dritte eine Farm besaß? Was machen diese Leute, die früher einmal die Felder bestellt haben? 
 

Schon bevor ich Stuart McLean’s Buch las, begann ich mich für dieses Thema zu interessieren. Die ganze Chose kam ins Rollen, als wir auf unserem Roadtrip eines Nachmittags in Garberville strandeten. (Einschub: Der besagte Roadtrip bezieht sich auf eine Reise, wleche Jan, sein Bruder Ole, Rantanplan (unser Auto) und ich im April diesen Jahres von Vancouver bis San Francisco, entlang des berühmten und wunderschönen Highways 101 und anschließend von San Fran dann weiter zum Yosemite Nationalpark unternahmen. Einschub Ende). Garberville, ein Ort der 2010 genau 931 Einwohner zählte, liegt in Nordkalifornien, ca. 320 km nördlich von San Francisco. Wenn man Garberville googlet findet man folgenden Abschnitt bei Wikipedia: „Marijuana cultivation has replaced timber as the economic driver of Garberville and neighboring Redway. There is a Cannabis College in Garberville, and the town has been called "the marijuana heartland of the U.S." by BBC News."
 
All das wussten wir natürlich nicht als wir in Garberville zum Mittagessen eintrudelten. Wir suchten Rantanplan ein schattiges Plätzchen und liefen ein Mal die Hauptstraße hoch und wieder herunter bevor wir uns dazu entschieden in einem Diner einzukehren. Von unserem Fensterplatz aus konnten wir die Hauptstraße bestens beobachten. Eine Type nach der anderen lief an uns vorbei, von schräg bis schräger, alles dabei. Während wir Burger mit Süßkartoffelfritten mümmelten, kamen wir nicht umhin den etwas verrückten Vibe des Ortes aufzusaugen. Ein Ort voll bunter, ungewöhnlicher und lauter Charaktere. Wir beschlossen uns noch ein bisschen durch den Ort treiben zu lassen. Zunächst betraten wir einen esoterischen Laden mit dem vielversprechenden Laden „Hemp Connection“, der Pullis, Taschen, Aladinhosen, Wasserpfeifen, Bongs und allerlei anderen Krimskrams verkaufte. Zwei Frauen mittleren Alters begrüßten und unterhielten uns mit einem stetigen Redefluss. Es gab kein Entkommen bis wir uns alle drei im Gästebuch verewigt hatten. 
 
 
Hemp Connection!
Kaum waren wir aus dem Laden geflohen wurden wir auch schon von einer bedrogten jungen Frau darüber aufgeklärt, dass wir auf gar keinen Fall Pfeifen oder Bongs im „Hemp Connection“ kaufen sollten, sondern viel besser beraten seien ein anderes Geschäft schräg gegenüber aufzusuchen. Gleiche Ware, niedrigere Preise. Wir zogen es dann doch vor uns vor ein Café ca. 5 Häuser weiter zu setzen und das Geschehen auf der Hauptstraße (also eigentlich auf der einzigen Straße) zu beobachten. Nach ca. 15 Minuten kannten wir gefühlt jeden Einwohner des Ortes. Leute liefen von links nach rechts, von rechts nach links, ins Kaffee und wieder heraus, riefen sich etwas über die Straße zu und schienen allesamt ziemlich wenig anderes zu tun zu haben. Die Versuchung war groß für den Rest des Tages einfach am klapprigen Café Stühlchen sitzen zu bleiben, um auf den neusten Stand allen Klatschs und Tratschs Garbervilles gebracht zu werden. Wir waren jedoch ursprünglich nur für einen kleinen Mittagsimbiss abgefahren, sodass wir uns damit begnügten noch ein paar Souvenire zu besorgen (Supermariopflaster und ähnliches) und uns dann kopfschüttelnd wieder auf den Weg zu machen. Es gibt wirklich Orte, die gibt es nicht.

 
Einen Ort, den es hingegen auf jeden Fall gibt und der sogar nur 70 km von Vancouver entfernt ist, ist Squamish. Squamish entstand während des Baus der kanadischen Eisenbahnstrecke, die Ost und West verbinden sollte. Heute ist Squamish wohl hauptsächlich bei Kletterern und Touristen bekannt, wobei erstere die „Great Wall“ des Stawamus Chiefs bezwingen wollen, während letztere sich von der Sea-to-Sky Gondel auf Mount Habrich fahren lassen. Doch auch wer weder gerne klettert, wandert oder Gondel fährt wird nicht enttäuscht, denn die Fahrt über den sogenannten Sea-to-Sky Highway, welcher sich zwischen Vancouver und Squamish an Wasser und Bergen entlangschmiegt, ist atemraubend.
 
Letzten Sommer durfte ich schließlich erleben, dass in Sqamish nicht nur geklettert und Natur angeschaut wird, denn Mitte Juni verschlug es mich einen ganzen Tag nach Squamish (Jan hatte einen Job in der naheliegenden Woodfibre Site). Los ging’s in aller Herrgottsfrühe an einem vielversprechend sonnigen Samstag. Jeder der sich in seinem Leben schon einmal die unangenehme Erfahrung gemacht hat mir vor 10 Uhr morgens zu begegnen, sollte nun aufpassen! Es gibt doch tatsächlich eine Methode mich wachzubekommen: Man nehme mich mit auf eine kleine Bootstour. Mir wurde nämlich die Ehre erwiesen mit zur Woodfibre Site zu fahren und anschließend per Privattour vom freundlichen Bootsfahrer wieder zurück geschifft zu werden. Eine Bootsfahrt mit Blick auf Squamishs Berge, Wasserfälle und Wald, da huscht sogar Morgengrummel Fooken ein Lächeln übers verschlafene Gesicht. 
 
 
Später erkundigte ich dann Squamish auf eigene Faust. Laut Insiderinformationen gab es in der Ortsbibliothek gemütliche Stühle und einen Kamin, sodass ich beschloss mich mit Stuart McLean erst einmal dorthin zu verziehen. An der Bibliothek angekommen musste ich feststellen, dass die Öffnungszeiten sich auf 10:00-14:00 Uhr beschränkten. Etwas vor den Kopf gestoßen suchte ich also das zweite Café auf, in dem wir nicht gefrühstückt hatten und ließ mich dort in einem Sessel am Fenster nieder. Auch hier sah ich bald schon immer wieder die selben Leute vorbeilaufen. Eine Mutter mit ihrer Tochter, beide fahrradhelmtragend, obwohl sie die Fahrräder bereits irgendwo angeschlossen hatten. Ein Mann mit seinem Hund, Hund stets vorrauseilend. Im Café fand sich derweil ein Stammkunde nach dem nächsten ein. Man besprach die gerade beendete Eishockeysaison und die noch laufende Fußballweltmeisterschaft. Die Tatsache, dass England auszuscheiden drohte, war scheinbar gar nicht gut für die Tipprunde. Nach mehrfachem Hin- und Herlaufen, fand sich schließlich auch noch eine Gruppe spanischer Touristen ein, während im zweiten Stock des Cafés Senioren irgendeinen Kunstkurs besuchten.

Nach einer Weile strömten (naja wohl eher tröpfelten) die vorbeigehenden Leute alle in dieselbe Richtung. Das konnte nur eins bedeuten: Der Farmers Markt ging los. Auch ich machte mich bald auf den Weg zum kleinen Markt. Es dauerte ca. 4 Minuten um einmal durch den gesamten Markt zu streifen. Bio-Eier, Bio-Gemüse, Bio-Huhn, Schmuck, selbstgemachtes Brot und alles zu ziemlich abenteuerlichen Preisen. Ich kaufte mir ein frisches Gingerbeer und ließ mich auf einem Mäuerchen nieder, um das Treiben ein bisschen zu beobachten. Es schienen sich hauptsächlich Althippies und junge Eltern auf dem Markt zu befinden. Neben mir spielte eine Raggieband für ein paar tanzende Kinder und fünf Öhmchens auf Plastikstühlen. Rechts von mir saß eine junge Mutter, die Tee aus einem Einmachglas schlürfte. Es war sonnig und roch nach frischen Obst, Gemüse und Brot. Die Leute grüßten und schnackten und ein paar Mal wurde mir aufmuntert zugerufen, da ich (natürlich) im Deutschlandtrikot unterwegs war. 
 
 
Irgendwann musste ich mich dann doch mal auf den Weg machen, um mir im naheliegenden Brew-Pub das Vorrundenspiel Deutschland gegen Ghana anzuschauen. Auf dem Weg dorthin ging ich noch durch einen kleinen sehr grünen Park, in dem Familien picknickten und eine Jungedgruppe Judo oder Ähnliches lernte. Als ich mich schließlich zum Fußball schauen im Pub niederließ, war ich ziemlich zufrieden mit dem Tag in Squamish. Ein ruhiges, geselliges Leben abseits des wuseligen Vancouvers. Dem geselligen Motto folgend, setzte ich mich mit ein paar anderen deutschen Touristen an einen Tisch, denn egal wo auf der Welt man sich befindet, man kann sich relativ sicher sein, dass man auf deutsche (oder mindestens holländische) Touristen trifft. 
 
Wohlverdiente Ruhe nach aufregendem Tag in Squamish
Auch wenn Garberville und Squamish sich in vieler Hinsicht deutlich unterscheiden, bleibt ein Nachgeschmack von geselliger Schrillheit an beiden Orten. Nachbarn werden nicht beäugt, sondern angesprochen, Kinder und Hunde dürfen frei herumlaufen und sich bis zu einem gewissen Grad daneben benehmen. Die Zeit wird vertreibt man sich anstatt sie davon rinnen zu sehen. Was genau der durchschnittliche Einwohner einer Kleinstadt in heutigen Zeiten so macht, bleibt zu erkunden, doch der Eindruck bleibt, dass in manchen dieser Städtchen das Leben vielleicht nicht ganz so ernst genommen wird, wie anderswo.

Sonntag, 17. August 2014

Alles eine Frage der nationalen Sicherheit

Jeder, der in den letzten Jahren einmal in die Vereinigten Staaten von Amerika gereist ist, wird es kennen: Jeder nicht amerikansche Staatsbürger muss inzwischen eine sehr lästige und beschwerliche Prozedur bei der Landeseinreise über sich ergehen lassen. Wer in den USA einen Anschlussflug erwischen möchte, sollte mindestens 3 Stunden Umsteige- bzw. Einwanderungszeit einplanen. Ähnlich umständlich ist die Einreise via Automobile, zumindest, wenn 3 junge Deutsche es wagen, einen „Roadtrip“ von Vancouver bis San Francisco - einmal die Westküste Nordamerikas herunter - etwas planlos in Angriff zu nehmen.

Ich würde es wagen zu behaupten, dass ich im Laufe der letzten Jahre eine gewisse Routine in Sachen Grenze entwickelt habe. Meine Herangehensweise ist dabei stets gleich: Dumm, aber freundlich. Den Fragenhagel, den man über sich ergehen lassen muss, sollte man stets souverän und möglichst direkt beantworten oder vortäuschen die Frage nicht gehört oder verstanden zu haben. Die Antworten sind eigentlich immer dieselben: Der eigene Arbeitsstatus, die Zieladresse in den USA (oder dem Land, in welches man reist) sowie die persönlichen Beziehungen zu Mitreisenden oder den Lieben, die man am Zielort besuchen möchte und dann natürlich wiederum deren Arbeitsstatus, Zieladresse, Mitgliedsnummern in terroristischen Untergrundorganisationen etc. Nun gilt es nur noch die richtigen Antworten auf die gestellten Fragen zu finden. Des weiteren sollte man ganz genau im Kopf haben, wie viele Waffen, Regenschirme und Blaubärmuffins man versucht ins Land zu schmuggeln. Was man hierbei auf seinem „Customs Form“ angibt scheint dabei eine geringere Rolle zu spielen als man zunächst vermutet. So wurde uns nach 3 stündiger Wartezeit an der Grenze sowie einer ausführlichen Autokontrolle durch die Landwirtschaftsabteilung die Mitnahme einer geöffnete Milchtüte sowie von Äpfel und Nektarinen gestattet, während eine mexikanische Avocado leider draußen bleiben musste. Komisch, dass man in amerikanischen Supermärkten eigentlich ausschließlich Avocados aus Mexiko finden kann. Wie dem auch sei, darum soll es in diesem Eintrag eigentlich überhaupt nicht gehen.

Ich wollte nämlich etwas ganz anderes erzählen, etwas, was ich am letzten Wochenende auf meiner Reise nach Seattle erlebte. Seattle ist in der Tat nur ca. 3-4 Stunden (je nach Aufenthaltszeit bei der Grenzkontrolle) von Vancouver entfernt und so beschloss ich einen Kommilitonen zu besuchen, der zur Zeit ein Praktikum in Seattle macht. Von Vancouver nach Seattle fährt man am Besten mit dem Bus. (Der Zug soll wohl auch sehr schön sein, ist allerdings auch um einiges teurer.) So kam es, dass ich mich eines Freitag Nachmittags in einem Bus in Richtung Seattle wiederfand. Mit dem Bus die Grenze zu überqueren hat den großen Vorteil, dass der Bus eine eigene Expressspur hat, die Busgesellschaft die Grenzstation bei Eintreffen sozusagen vorwarnt und man so relativ zügig abgefertigt wird. Nachdem der Busfahrer und sein Assistent den eigenen Papierkram erledigt hatte, dackelten wir also alle in Reih und Glied ins Grenzhäuschen herein. Internationale voran, US-Amerikaner und Kanadier zum Schluss – bei denen geht es normalerweise ungewöhnlich zügig. Merkwürdiger Weise fand ich mich ganz vorne in der Schlange und schritt (dumm, aber freundlich) auf den nächst besten Grenzbeamten zu. Dieser belehrte mich erst einmal ausführlich darüber, dass ich hätte warten sollen bis er mich aufgerufen hätte und wie ich es denn finden würde, wenn er jetzt meinen Namen in den Haftbefehl eintragen würde, den er gerade noch ausfüllen musste. Ich nickte fürchterlich dumm zu all dem, was er sagte und entschuldigte mich ausreichend freundlich, sodass er sich dann doch noch dazu herab ließ mich zu interviewen. Der Tanz des Fragens und Antwortens begann und als ich mich scheinbar in seinen Augen gut genug geschlagen hatte, bekam ich meinen „Visa Waiver“ und durfte ich passieren.


Kurz war ich noch versucht ihn darauf hinzuweisen, dass Deutschland schon seit einiger Zeit nicht mehr in West- und Ostdeutschland geteilt ist, besann mich dann aber eines besseren, beglich die US$6 Einreisekosten (ausschließlich in US amerikanischen Dollars oder mit Kreditkarte bezahlbar, nur für den Fall, dass hier jemand bald mal in die USA einreisen möchte) und betrat anschließend die vereinigten Staaten von Amerika.

Da ich ja als eine der ersten durch die Kontrolle gegangen war und da im Bus klimatisierte 10 Grad herrschten, beschloss ich mein Gesicht (typisch Deutsch) Nase voran noch ein bisschen in die Sonne zu halten. Schon bald bemerkte ich eine japanische Touristin, die sehr verwirrt vor dem Bus herumstand und mit etwas in ihrer Hand wedelte. Sie versuchte zunächst den Busfahrer etwas zu fragen, dieser konnte ihr stockendes Englisch jedoch nicht interpretieren und verwies sie – dumm aber freundlich – an seinen Assistenten, einen fröhlichen Afroamerikaner mit tonnenschweren tiefschwarzen Rasterlocken. Auch der freundliche Assistent war etwas verwundert auf Grund der Tatsache, dass sie ihm ihr ausgefülltes „Custom Form“ unter die Nase hielt. Wo sie dieses denn abgeben sollte, wollte sie wissen. Wie sich herausstellte, war sie einfach dem Busfahrer hinterher gelaufen anstatt wie alle anderen ins Gebäude und durch die Grenzkontrolle zu gehen. Es braucht also nur eine naive japanische Touristin, um das Sicherheitssystem des sichersten Landes der Welt zu knacken.


Alle mitlesenden US Amerikaner, die jetzt schon aus Angst vor einem japanischen Terrorangriff kräftig in braune Papiertüten pusten, kann ich beruhigen: Die Japanerin wurde vom Busfahrer schließlich doch noch zum richtigen Eingang geleitet und mit dem im Fragenkatalog vorgesehenen Ausforschungen investigiert. Trotzdem sollte Vorsicht gellten. Von mir habt ihr diese Geschichte sicherlich nicht gehört, denn diese omnisöse Nationale SicherheitsAgentur liest ja bekanntlich ALLES mit. Ein Glück, dass „google translator“ deutsch bisher nur im Grundkurs belegt hat.

Samstag, 21. Juni 2014

Blogeintrag 21.06. - Deutschlandzeit

Jan fragt: “Wie ist denn nun Deutschland?“ Ich überlege. Ja, wie ist denn nun Deutschland? In erster Linie ist alles irgendwie klein. Die Autos sind winzig, die Straßen sind eng, die Häuser sind schmal, die Menschen sind schlank, die Portionen überschaubar, ja sogar das Geld scheint irgendwie auf schwer wiegende Minimünzen und Scheinchen geschrumpft zu sein und als ich heute morgen die Spülmaschine einräumte kam ich mir vor wie Gulliver auf Liliput.

Fahrräder existieren, fahren, sonnen sich und parken einfach überall. Vancouver ist für nordamerikanische Verhältnisse schon sehr Fahrrad freundlich. Es gibt viele Fahrradwege und die Umgebung lädt zu Fahrradtouren ein. Aber genau das ist auch der Unterschied: Man benutzt die Fahrräder für längere Touren, Ausflüge oder zur sportlichen Betätigung. Nicht jedoch für schnelle Besorgungen, zum einkaufen oder um mal eben in die Stadt zu fahren.


„Wir Deutsche“ sind also wuselige Miniaturwesen, die durch den Alltag radeln. Doch auch zu Fuß fällt mir einiges auf. Wer ausversehen anrempelt (oder angerempelt wird) entschuldigt sich nicht. Im Gegenteil, mit grimmiger Miene wird der Gegenspieler an den Pranger gestellt und mit funkelnden Augen gemustert. Zu Fuß gehen hat insgesamt etwas Gehetztes, die Leute strömen, drängen, drücken und wuseln, ja sogar das Blindensignal an den Fußgängerampeln animiert eher zum losrennen also zum schlendern. Diese Geschäftigkeit ist irgendwie reizvoll und vertraut, aber gleichzeitig fühle ich mich auch ein wenig gestresst. Überhaupt scheint dieses und jenes jedermann und jedefrau in unglaublichen Stress zu versetzen: Die Sparkasse hat zu viel Kleingeld zu verfrachten, der Mediamarkt zu viel Kunden zu versorgen und die deutsche Bahn bricht schon beim Gedanken ans Pfingstwochenende in Schweiß aus. Kundenservice ist sowieso allen ein Dorn im Auge.

Das Wetter präsentiert sich (ausnahmsweise?) während meiner Zeit in Deutschland von seiner schönsten Seite und so finde ich mich öfter auf Bürgersteigen oder Fußgängerzonen in irgendeinem Café wieder. Restaurants und Cafés sind zu meiner großen Freude sehr viel lebendiger in den Alltag integriert, als in Vancouver. Man sitzt sozusagen mittendrin. Als ich eines Mittags in einem dieser Cafés in der Bonner Fußgängerzone saß, bemerkte ich eine andere Deutschheit, die ich sehr vermisse: „Komm, ich lad dich ein.“, sagte eine junge Frau am Nebentisch zu ihrer Freundin. Einladen. Einladen ist in Zeiten der Kartenzahlung und automatischen Rechnungsaufteilung im Reich der unbegrenzten (eingeschränkten) Möglichkeiten nicht mehr üblich. Wer hätte das gedacht, dass ich von allen Dingen eines Tages die deutsche Gesellig- und Großzügigkeit vermissen würde?
 

Zwei weitere Dinge fallen mir auf: Deutschland ist weniger smart und mehr am qualmen. In Vancouver, einer der gesündesten Städte der Welt (in British Columbia liegt die durchschnittliche Lebenserwartung von Frauen inzwischen bei 96!), sieht man eigentlich nie jemanden rauchen. Deutschland hingegen qualmt. In Cafés, in gelbabgezeichneten Kästen an Bahnhöfen, in Raucherquadraten an Flughäfen, an Straßenecken, an Ampeln, am Rhein, an der Elbe, im Park, im Auto, einfach überall. Ganz überraschend finde ich das allerdings nicht. Es würde quasi schon an Unvernunft grenzen, die Freiheit überall ein Bierchen trinken und eine Zigarette rauchen zu dürfen nicht auch auszunutzen. Eine andere Sucht scheint hingegen noch nicht ganz soweit in den Alltag vorgedrungen zu sein: Handys werden scheinbar hauptsächlich noch zum telefonieren und schreiben benutzt. Zumindest in Bus, Bahn und im öffentlichen Alltag finde ich das Smartphones, Tablets sowie Laptops weniger zu sehen sind und die Leute sich vielleicht doch noch ein bisschen mehr zu sagen haben.

 

So gibt es also nicht die eine Antwort auf die Frage wie Deutschland denn nun sei. Wobei vielleicht doch. Joli zu Jan: „..ich weiß auch nicht, es ist irgendwie deutsch.“